Projekt «Das gemalte Wort»

Manchmal entstehen ungewöhnliche und spannende Projekte – ungeplant und einfach so – und es ergibt sich eine bereichernde Zusammenarbeit auf Zeit. Bei einem zufälligen Treffen mit Richard Wurz, Schreiberling und Gründer von freiamtplus.ch, entwickelte sich im Gespräch eine mutige Idee für ein gemeinsames Projekt. Nach einer kurzen Bedenkpause nahmen wir beide die Herausforderung an und aus Spass wurde bitterer Ernst – unser Projekt «Das gemalte Wort» war geboren.

PROJEKTBESCHREIB (Richard Wurz, freiamtplus)
Beim Betrachten eines Bildes macht sich jeder seine eigenen Ge­danken und dann kommen noch die Gedanken der Künstler*innen dazu. Manchmal findet man sich, manchmal nicht und das ist gut so, wenn man im gemeinsamen Gespräch bleibt. Die Künstlerin Karin Köpfli-Fehlmann, Bremgarten, und der Schreiberling Richard Wurz, freiamtplus, nehmen das auf und er setzt jede Woche ein Wort in den Raum und sie hat eine Woche Zeit dieses in ein Bild umzusetzen. Parallel dazu macht sich Richard Wurz in Unkenntnis des Bildes Gedanken zum Wort dazu – so entsteht «Das gemalte Wort». Die einzige Vorgabe für beide besteht darin, dass Wort und Bild im weitesten Sinn mit der Natur in Verbindung stehen. Also keine Bildbesprechung oder Gedankenbildung nach Betrachten des Bildes – das Bild und die Worte müssen sich finden und sie werden es.


​​21. November 2021

Spurensuche
Der vergangene Sommer und der Klimawandel machen es einfach, denn die hinterlassenen Spuren des Unwetters, heruntergeschlagene Äste, Papier, Plastik und sonstiger Müll in der Reuss waren und sind noch spür- und sichtbar. Solche Vorkommnisse und die Einmischung der Natur in unser Leben sind immer wieder erschreckend und vermögen einen Moment aufrütteln. Aber nach kurzer Verarbeitung der Situation, legen wir wieder einen Nebel über die neu entstandenen Spuren, weil wir ihnen nicht so richtig und nachfragend nachgehen wollen. Bis vor kurzem gab es eine Zeitepoche, da glaubte man in bestem Einvernehmen zu leben. Die vorhandenen und sich stets wiederholenden Kollateralschäden nahm man zur Kenntnis und versuchte sie zu negieren. Die vor einigen Monaten eingetroffene Krise brachte nicht nur die Gesundheit ins Wanken, sondern begann die Gesellschaft im Denken und Handeln zu spalten. Dies wird tiefe Spuren in unserem Zusammenleben hinterlassen, aber es besteht ja die Möglichkeit, dass sie für einmal wahr und ernst genommen werden – oder gehen sie einfach vergessen.

Text: Richard Wurz, freiamtplus.ch
Bild: Karin Köpfli-Fehlmann


28. November 2021

Der erste Versuch sich in Wort und Bild zu finden und zu verstehen ist getan. Die Reise mit der Künstlerin und dem Schreiberling geht weiter … kommen Sie mit.

Die alltäglichen Abläufe geraten immer mehr durcheinander. Die Wetterkapriolen tragen nicht zum Wohlbefinden bei, die politisch-gesellschaftlichen Diskussionen verhärten sich. So vernebelt der Alltag immer mehr den Blick in die Zukunft, es entstehen unzählige …
Blockaden
Es gibt so viele klar ersichtlichen Blockaden in dieser Welt. Das eine Land sperrt aus welchen Gründen auch immer die Warenlieferung in andere Länder, weil diese sich nicht so verhalten, wie man selber gerne möchte oder gar zur Strafe. Ein bisschen diffiziler wird es im alltäglichen Geschehen. Alleine schon ein Spaziergang zu zweit oder sogar eine Bergwanderung ist geprägt von Blockaden, versperrt einem die Natur doch mit Steinen, Dreck und abgebrochenen Ästen den Weg. Die Frage wegräumen oder umgehen wird zur Blockade, denn man blockiert die Idee des anderen, was zu tun ist. So im Grossen und Kleinen betrachtet werden laufend Blockaden aufgebaut und man abblockiert zum eigenen Vorteil einfach den anderen.

Der Begriff Blockade ist negativ belastet, obwohl er ja in seiner Auswirkung durchaus auch positives beinhalten kann. So sind die Erschwernisse nicht von der Natur geschaffene Blockaden, sondern vom Mensch geschaffene Auswirkungen und die Natur will nicht mehr als leben. Beim Menschen ist es ein bisschen anders, denn er baut Blockaden auf, um andere als Partner oder andere Ideen abzublocken. Öffnet man aber die Blockade, dann geht man das Risiko ein, dass Veränderungen vollzogen und wieder zerstört werden, als Vorsichtmassnahme greift man da besser doch zur Blockade. Aber eigentlich möchte man doch gerne erkennen, was der andere hinter der Blockade zu verbergen hat. Da zeigt sich die Blockade aber von ihrer besten Seite, denn sie verhindert, dass man glaubt überall die Nase reinstecken zu müssen, obwohl es einem nichts angeht.

Es ist mir bewusst, dass solange wir uns bewegen, verwundbar sind, aber deswegen Blockaden aufbauen und alles blockieren – da bin ich mir nicht sicher, denn hinter jeder Blockade ist auch Licht.

Text: Richard Wurz, freiamtplus.ch
Bild: Karin Köpfli-Fehlmann


5. Dezember 2021

Auf der Reise zwischen der Künstlerin und dem Schreiberling finden sich Töne, Klänge und Geräusche – nicht ohrenbetäubend, dafür hör- und sichtbar.

Die Klangwelten in einem Konzert können gleichzeitig belebend und beruhigend sein, jene draussen im Alltag manchmal eher strapaziös. Das ständige Geräusch des Geplauders in den Gassen anlässlich eines Marktes kann nervig sein oder daran erinnern, dass die Menschen gemeinsam unterwegs sind. Je nach persönlicher Wahrnehmung der aktuellen Situation tönt und klingt es oder es sind unangenehme Geräusche. Also gestalten wir es doch einfach für uns …

Geräusch-los
Es ist doch ein befreiendes Gefühl, wenn man einen Menschen herzhaft lachen hört oder er mit Inbrunst ein Lied zum Besten gibt oder einem eine Geschichte oder vom Alltag erzählt. Es ist doch beruhigend, wenn man so zwischendurch im Hause eine Tür zuschlagen hört, ein Zeichen der Nachbarn lebt noch. Es ist doch beruhigend in einer langen Fussgängerunterführung alleine gehend die Schritte des dahinter Gegenden hört und nicht einfach überholt wird. Und ein Spaziergang an der Reuss ohne den Fluss und den Bodenbelag, von der Natur bereit gestellt, zu hören. Ohne alle diese Geräusche wäre es, wie man leben würde ohne das Leben. So ist geräuschlos bei allen störenden Geräuschen unerträglich. Aber Geräusch-loslassen, die störenden Geräusche einfach so gut es geht negieren, sich in die Klausur zurückziehen oder das Angebot der Natur annehmen und sie wahrnehmen, in einem vertrauten Gespräch sich finden – so wird aus dem Geräusch-los ein Geräusch-mit.

Text: Richard Wurz, freiamtplus.ch
Bild: Karin Köpfli-Fehlmann


12. Dezember 2021

Auf jeder Reise macht man einen Zwischenhalt, sieht sich um und fragt sich, wo befindet man sich.

Beim Betrachten der Bilder wird man dazu verleitet einfach immer weiterzugehen und das Aussen aufzunehmen. Die Natur in ihrer Grösse, Schönheit & Ausstrahlungskraft lehren uns Menschen, wenn man es wahrnehmen will, Demut und Dankbarkeit. Sie schenkt uns einen Ort der Ruhe, der Geborgenheit und gibt uns dabei die Möglichkeit dem Alltag zu entfliehen. Gewährt man sich zwischendurch eine Pause im täglichen Geschehen, kann es geschehen, dass man im Ohrsessel sitzend nach dem Boden sucht, den man braucht als …

Heimat
Eine alte Weisheit behauptet, dass Wunden verursacht durch seelische Verletzungen mit der Zeit verheilen würden. Das trifft nicht zu und ist nur eine schönfärberische Beruhigungsaussage, denn die verbleibenden Narben verheilen nicht, sie werden nur erträglicher. Und so wird auch der Begriff Heimat überstrapaziert. Diese sollte doch der Ort sein, wo man sich wohl und geborgen, sich von Liebe und Zuneigung umgeben und umarmt fühlt. Das ist wohl zu hochgegriffen. Aber zumindest sollte Heimat der Ort sein, wo Mensch sich entfalten und verwirklichen kann. Dies aber ohne sich in die gerade bestimmende politisch-gesellschaftliche Gruppe der Bevölkerung eingeben zu müssen, die behauptet zu wissen, was Heimat ist. Diese benutzen und zerzausen in ihren öffentlichen und politischen Diskussionen den Begriff Heimat, so dass die heutige Gesellschaft nicht mit Heimat zu tun hat.
Also lassen wir doch den Missbrauch des Begriffs Heimat an uns vorüberziehen und den Heimatbegriff überlassen wir den Künstler*innen, sie sollen ihn gestalten. Uns bleibt der kleine Freiraum um uns herum, dem der Name Heimat nicht zusteht, aber einem ein heimatliches Wohlgefühl schenkt – ein Zuhause.

Text: Richard Wurz, freiamtplus.ch
Bild: Karin Köpfli-Fehlmann


19. Dezember 2021

Es ist eine bewegende Reise von Wort und Bild, aber keine unruhige, da sie der Ruhe ihren Platz lässt.

Der Mensch hat schon Zeit seines Lebens ein Bedürfnis nach Ruhe. Dies obwohl der Begriff eine sehr individuelle Angelegenheit ist. Was für die einen Ruhe bedeutet, ist für die anderen schon der Beginn einer Unruhe. So spaziert man durch den Wald und nichts zu denken war der Sinn, bis die Bäume sich im Wind zu bewegen beginnen. Man geniesst das offene Wasser für sich im Boot und gleitet lautlos übers Wasser, bis der aufkommende Wind zur Segelarbeit ruft. Gedankenversunken sitzt man im Kaffeehaus und schon setzt sich jemand dazu und plaudert drauf los.

Aber jetzt ist ja die Zeit, in der sich alle eine ruhige und besinnliche Weihnachtszeit wünschen. Sie nehmen sich das selbst auch vor und manchmal passiert es, dass vor lauter sich gegenseitig das Beste zu wünschen, den Festtagstisch zuzubereiten und Geschenke auszutauschen, es vorbei ist mit der Ruhe und Besinnlichkeit. Natürlich besinnt man sich der Geburt Jesu, die gefeiert wird, und singt unter dem leuchtenden Christbaum mit der darunter stehenden Krippe gemeinsam Lieder und findet so vielleicht wenigstens für einen Augenblick einen Weg zu Gott, den Weg zur Ruhe.

Der Augenblick vergeht und es bleibt der Alltag und es fehlt die Ruhe, der Moment anderen Menschen zu begegnen. Das ist auch ein schwieriges Unterfangen – aber alles in Ruhe.

Text: Richard Wurz, freiamtplus.ch
Bild: Karin Köpfli-Fehlmann


26. Dezember 2021

Eine Reise ist ein immer wiederkehrendes Weggehen und Abschiednehmen – manchmal für einen Moment, manchmal für immer.

Die Natur macht es sich einfach in ihrer Planung und lehrt es uns, wenn wir es wahrnehmen wollen. Das Abschiednehmen, dem stets eine Freude voraus geht. So bildet sich aus dem golden gelb blühenden Löwenzahn eine transparente, filigrane Kugel und ein kleiner Windstoss oder Hauch von uns und die Pusterblume verabschiedet sich in die weite Landschaft – ein belebendes Ereignis. Der Mensch verbindet das Abschiednehmen aber mit Verlust, Trauer, Wut und Leere und vergisst dabei die vielen guten Momente vor dem …

Abschied
Der Zeitpunkt des Abschiednehmens kommt immer unerwartet, auch wenn man es eigentlich schon längst spürte, dass ein Abschied bevorsteht und man hält gerne fest: «Ja, schon, aber doch nicht gerade jetzt.» Am einfachsten haben es jene Menschen, denen die Zeit davor eher bemühend, ja eine Belastung war, denn dann wird der Abschied zur ersehnten Erleichterung. Einem älteren Menschen, der in Ruhe und Frieden auf seine lange Reise geht, mag man dies gönnen bei aller Traurigkeit, welche der Abschied hinterlässt. Dagegen ist ein Abschied mit dem Versprechen «Ich komm doch wieder» ein Trugschluss, denn wie soll frau oder mann beim Abschied schon wissen, was alles auf ihn zukommt. Im Zusammenhang mit Abschied spricht man gerne von einem Verlust, was bedeutet, man verliert einen Menschen, der einem nahe stand, eine Bedeutung hatte. Einen Menschen verlustig werden kann man aber nur, wenn man diesen als Besitz hatte und dann ist es eine Erleichterung für den anderen endlich Abschied genommen zu haben.

Mit Verlaub nehme ich mir gerne die Natur zur Hilfe, denn sie wächst, gedeiht, blüht, verwelkt, verblasst und lässt immer wieder Neues entstehen. So ist ein Abschied eine Veränderung im eigenen Leben, der einem unterstützt Geschehenes loszulassen und gleichzeitig neue Freiräume zu schaffen.

Text: Richard Wurz, freiamtplus.ch
Bild: Karin Köpfli-Fehlmann

 
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